Immer sonntags gehe ich zum Yoga und übe tiefenentspannt am Tegeler See unter freiem Himmel den Sonnengruß. Das ist zumindest die Theorie, die Praxis sieht anders aus. Meine Männer, Mann und Sohn, lernen nämlich seit einiger Zeit segeln, ebenfalls am Sonntag, ebenfalls am Tegeler See. Mein Yoga findet auf dem Gelände ihres Segelclubs statt und beginnt um 11 Uhr, wie ihr Segelkurs.
Nun könnte man annehmen, da die Familie nur ein Auto besitzt, dass zwei Männer und eine Frau diverse Segelklamotten und eine Yogamatte ins Auto werfen und gemeinsam nach dem Sonntagsfrühstück zum Tegeler See aufbrechen, ein Ziel, ein Weg etc. Das haben wir auch etliche Male versucht. Das Ergebnis ist, das ich jedes Mal (und damit meine ich wirklich jedes Mal!!) zu spät zum Yoga komme. Ich muss nach dem Frühstück Segelschuhe suchen, die Rettungswesten aufspüren, Handtücher aus dem Regal holen und Fragen beantworten: Wo ist das Handbuch zur Segeltheorie? Wo sind die Seile zum Knoten üben? Wo ist meine Sonnenbrille? Schwache Hinweise meinerseits, Segeln sei doch ihr Hobby, werden von meinen Männern nur äußerst peripher wahrgenommen.
Irgendwann nahm die Yogatrainerin mich beiseite und hielt mir einen kleinen Vortrag, dass ich die Gruppe störe, wenn ich zu spät komme, dass ich das wichtige Warm-Up verpasse und auch selbst nicht die gewünschte Tiefenentspannung erreiche, wenn ich auf den letzten Pfiff und total abgehetzt angestürzt komme. Zerknirscht gelobte ich Besserung und fuhr seitdem allein mit dem Fahrrad vom Wedding zum Tegeler See. Der Fahrradweg dahin ist schön und wie eine Vorabentspannung. Man radelt ca. 40 Minuten mit Wasserblick den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal entlang, vorbei an Laubenpiepern, spielenden Kindern und blühenden Hecken. Ich fahre um 10 Uhr im Wedding los, radele ganz gemütlich durch die Rehberge an der Allee du Stade vorbei, wo auf dem Football Spielfeld die Cheerleader ihren Mannschaften einheizen und biege auf den Schifffahrtskanal ein. Den Rest des Weges findet mein Fahrrad quasi allein und ich komme entspannt um Viertel vor 11 an, kann einen Schwatz mit den anderen Yogamädels halten und gemütlich meinen Platz auf der Yogawiese beziehen. Diese Praxis hat den entspannenden Nebeneffekt, dass meine Männer ihren Krempel selber suchen müssen.
Letzten Sonntag war es mit diesem Idyll vorbei. Es war am Samstagabend später geworden und ich hing in den Seilen am Sonntagmorgen. Eine Dreiviertelstunde hin-, eine Stunde Yoga und eine Dreiviertelstunde zurückradeln war mir zu viel und so fragte ich bei meinen Herren der Schöpfung an, ob sie denn gedächten pünktlich zu sein und ob ich wieder mal mitfahren könnte.
Dies wurde von Herzen bejaht und es war – wie könnte es auch anders sein – 7 nach 11, als wir vor dem Gelände einparkten. Ich stürzte schnaufend zur Yogawiese und fand an einem der wahrscheinlich letzten halbwegs schönen Sonntage viel Andrang vor, alle schon im Training. Es war nur noch ein Platz auf einem gepflasterten Weg neben der Wiese frei. Da ich vor lauter Segelzeug-Suche, zwar meine Yogamatte dabeihatte, aber mein Kissen für den Nacken und meine Decke vergessen hatte, war das Training eine ziemlich harte Angelegenheit und ich musste mein Zuspätkommen mit schmerzenden Knochen büßen.
Meinen Männern immer noch heftig grollend ging ich nach dem Training steifbeinig zum Bus an der Bernauer, der natürlich ausfiel. Erst 20 Minuten später kam der nächste. Mit Umsteigen brauchte ich fast 70 Minuten bis nach Hause. In meinem Kopf spielten sich wütende Dialogszenen ab, in denen ich meinen Männern fette Ansagen machte und verbal als klare Siegerin nach Punkten hervorging.
Als sie dann Stunden später ankamen und von glücklichen Momenten auf dem Wasser erzählten, hatte ich inzwischen ganz vergessen, dass ich ja eigentlich böse war.
Nächsten Sonntag fahre ich dann wieder mit dem Fahrrad.