Seit ich Mutter bin, bin ich die Auskunft!

Mit einem Kinderwagen in Berlin unterwegs zu sein, scheint für Touristen einer Aufforderung gleichzukommen, sich fragend an die Frau zu wenden, die selbigen Kinderwagen schiebt.

„Excuse me, is this the direction to Alexanderplatz?“, ist da noch eine der leichtesten Übrungen. „Can you recommend a nice place to eat?“, ist auch sehr beliebt. Ich habe schon überlegt, ob Visit Berlin nicht gut daran täte, Mütter mit Kinderwagen mit Broschüren und anderem Berlin Infomaterial auszustatten.

Man könnte an den Kinderwagen einen kleinen leuchtenden Berliner Bär anbringen oder eine Leuchtschrift: „Info-Mutter: Bitte hier fragen!“ Der Erfolg wäre bestimmt sensationell. Nie wieder würden Touristen hilflos in der Stadt umherirren. Auch die Mütter, die in Elternzeit mit dem Baby zu Hause sind, wären bestimmt restlos begeistert. Mal nicht die ewig gleichen Themen erörtern (welche Po-Creme wirkt gegen Klein-Emilys Pusteln und welche Globuli bei Pauls Schniefnase), sondern mal eine Wegbeschreibung oder sogar ein Restauranttipp. Großartig. Die Touristiker ahnen gar nicht, welches Potential da brachliegt.

Ich habe mich jedenfalls daran gewöhnt, ständig irgendwas gefragt zu werden und lese heimlich im Bett mit der Taschenlampe aktuelle Berlin Reiseführer oder lerne neue Top10 Berlin Tipps auswendig, um immer auf dem neusten Stand zu sein.

Neulich bin ich wieder unterwegs, ausnahmsweise mal ohne Kind, um mich mit einer Freundin zum Kino im Zoo Palast zu treffen. Ich bin also zu ungewohnter Zeit (abends!) unterwegs und warte am Bahnsteig auf die U9. Da steht ein Mann und schaut in meine Richtung. Inzwischen reagiere ich auf Blickkontakt in dem ich mein Gehirn auf Berlininformationen scanne. Wahrscheinlich fragt er gleich, welche U9 Richtung Zoo fährt, Steglitz oder Osloer Straße. Das ist leicht.

Er guckt immer noch. Der arme Mann kramt wahrscheinlich nach deutschen Sprach-Brocken, in denen er seine Frage radebrechen kann. Ich leiste also Hilfestellung. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, schaue sehr freundlich und sage: „Kann ich helfen?“.

Er guckt erschrocken, sagt akzentfrei „Ah, guten Abend“, lächelt verlegen, wird ein bisschen rot, springt hastig in die heransausende U9 Richtung Osloer und ist weg.

Huch, was war das?

Da dämmert es mir. Der wollte gar nichts wissen. Ein netter, gut aussehender Mann hat nach mir geschaut, weil der mich als Frau schick fand. Sensationell.

Hatte komplett vergessen, wie das ist. Und als ich in meine gute alte gelbe U9 steige, fühlt sich das gar nicht an wie U9, sondern wie Wolke 7.